Haushaltsrede der WGHL-Fraktion
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter stellvertretender Bürgermeister,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Zum Gedenken an die kommunale Selbstverwaltung möchte ich meine Haushaltsrede mit einer Schweigeminute beginnen.
Die diesjährige Rede zum Doppelhaushalt 2016/2017 steht unter dem Motto „Stirb langsam Kommune, Teil 3 oder Bergneustadt ist überall im ländlichen Raum“. Bevor ich in die Tiefe der Thematik einsteige, möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Nümbrechter Gemeindeverwaltung für ihre hervorragende Arbeit danken, die sie unter den schwierigen Rahmenbedingungen geleistet haben und leisten.
Was läuft falsch im rot-grün regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen? Kurz gesagt für den ländlichen Raum sehr vieles. Anhand von vier Beispielen möchte ich Ihnen die faktische Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung erläutern.
1.) Durch die ungerechte Einwohnerveredlung in NRW gingen Nümbrecht 2015 als kreisangehörige Gemeinde über 4 Millionen Euro bei den Soziallasten gegenüber den kreisfreien Städten verloren. Für die nächsten Jahre sind Beträge in gleicher Höhe zu erwarten. Der Kölner Bürger ist somit rund 50% „mehr wert“ als der Oberberger. Hier kann die Forderung an die Landesregierung nur lauten:
- die Einwohnerveredlung sofort abzuschaffen,
- Anpassung der so genannten Teilschlüsselmassen vorzusehen,
- den kommunalen Anteil am Steueraufkommen des Landes (Verbundsatz) schrittweise wieder auf das Niveau von 1981 in Höhe von 28,5% anzuheben.
2.) Nümbrecht hat im Jahre 2015 durch die Aufnahme von Flüchtlingen einen Verlust von einer Million Euro eingefahren. Läge Nümbrecht in Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern wäre das Defizit geringer ausgefallen, da diese Bundesländer im Gegensatz zu NRW ihren Kommunen höhere Beträge erstattet haben.
Jetzt hat sich das Land NRW entschlossen die Erstattungen für die Flüchtlinge zugunsten der Kommunen in 2016 zu verändern. Von einigen Kommunalpolitikern wird dies als Erfolg gefeiert. Bei genauer Betrachtung wurde der Gemeinde Nümbrecht aufgrund der Zähltaktik wieder ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Es gibt bei der Zählung zwei Stichtage den 1.1.2016 und
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01.07.2016, das heißt die Flüchtlinge, die Nümbrecht vom 2.1.2016 bis zum 30.06.2016 sowie vom 02.07.2016 bis 31.12.2016 zugewiesen werden, gehen für die jeweilige Zeit bis zum nächsten Stichtag auf den Deckel der Gemeinde Nümbrecht. Die Gemeinde wird also auch 2016 bei dem aktuell anhaltenden Flüchtlingsstrom aufgrund der speziellen Zählweise in NRW wieder ein Defizit einfahren, das die Haushaltssanierung nachhaltig belastet.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob die Landesregierung und die Bezirksregierung Köln im Phantasialand leben. Aufgrund der notwendigen Haushaltssanierung hat sich die Gemeinde Nümbrecht sehr enge Fesseln anlegen lassen. Auf mündliche Nachfrage aus Nümbrecht und eine schriftliche Nachfrage aus Gummersbach bei der Bezirksregierung Köln, ob der unvorhergesehene Flüchtlingsstrom einen Ausnahmetatbestand im Sinne der „Meilensteine“ des Sanierungskonzeptes darstellt, hat die Bezirksregierung Köln dies verneint und angeführt, dass die Kommunen diese Lasten durch Ertragssteigerungen auffangen sollen.
Ertragssteigerungen sind bei Kommunen in den meisten Fällen die Anhebung der Grundsteuer- und Gewerbesteuerhebesätze. Also zahlt der bei der Einwohnerveredlung benachteiligte Nümbrechter Bürger wieder diese Zeche.
3.) Das nächste vor allem grüne Abenteuer, das den ländlichen Raum benachteiligt, ist der Landesentwicklungsplan (kurz LEP genannt). Der LEP ist noch nicht rechtskräftig, wird aber schon von der Bezirksregierung Köln angewandt. In einem demokratischen Rechtsstaat ist dies ein skandalöser Vorgang. Wenn die Gemeinde Nümbrecht eine neue Planung realisieren möchte (z.B. in Nümbrecht-West), muss sie an anderer Stelle Flächen aufgeben. Eine kommunale Selbstverwaltung sieht anders aus. Hier wird der ländliche Raum der bislang schonend mit seinen Ressourcen umgegangen ist, wieder gegenüber den stark versiegelten, kreisfreien Städten benachteiligt.
Zwei Fakten sind in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Der grüne Umweltminister Remmel wird in dem neuen LEP die schutzwürdige nordrhein-westfälische Natur- und Kulturlandschaft flächendeckend mit Potenzialflächen für Windenergieanlagen überziehen, um so die schutzwürdige Tierwelt und das Landschaftsbild nachhaltig zu zerstören. Mit dem neuen LEP hört zwar die kommunale Selbstverwaltung auf, aber die Industrialisierung unserer heimischen Wälder findet ihren unsäglichen Höhepunkt.
Der LEP, der für die nächsten Jahrzehnte gelten soll, geht von einer schrumpfenden Bevölkerung aus. Er ist somit durch den aktuellen, anhaltenden Flüchtlingsstrom zur Realsatire vorkommen. In diesem Jahr sind
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allein bis November 1 Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, das heißt diese Menschen brauchen auch eine entsprechende Infrastruktur. Um den daraus entstehenden Druck auf Wohnraum und Siedlungsflächen zu verstehen, sollte bedacht werden, dass Köln beispielsweise über 1 Million Einwohner verfügt. Der LEP ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht.
4.) Der Fond deutsche Einheit mutiert langsam zur Schaumweinsteuer - im Volksmund Sektsteuer - genannt, die 1902 vom Reichstag zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt wurde. Wir haben zwar keinen Kaiser mehr, aber immer noch die Schaumweinsteuer. In den Fond deutsche Einheit hat Nümbrecht von 1991 bis 2015 über 12 Millionen Euro eingezahlt. Im Jahr 1991 waren es 18.902 Euro, während es im Jahre 2014 846.314 Euro waren. Jetzt sollen wir den Nümbrechter Bürgern erklären, dass mehr als 1/3 der Gemeindestraßen zu Wirtschaftswegen abgestuft werden und dass obwohl der Beitrag zum Fond deutsche Einheit deutlich größer ist, als die bisherigen Ansätze im Haushalt für die Straßeninstandhaltung in Nümbrecht. Schlimm wer da noch von kommunaler Selbstverwaltung spricht.
Anhand dieser vier Punkte sehen sie, dass Nümbrecht, wenn es systembedingt so weiter geht, wieder zu „Haferspanien“ wird.
Die WGHL-Fraktion im Rat der Gemeinde Nümbrecht lehnt den Doppelhaushalt 2016/2017 inklusive des Haushaltssanierungsplanes ab, da Nümbrecht durch das System faktisch fremdbestimmt wird und eine kommunale Selbstverwaltung nicht mehr stattfindet. Zukünftige Lasten die Nümbrecht von Dritten aufgebürdet werden, können aufgrund der bisherigen Sanierungserfolge im personellen und infrastrukturellen Bereich nur noch über höhere Steuern (Grundsteuer, Gewerbesteuer) und Abgaben (kalkulatorischer Zins beim Abwasser) aufgefangen werden, die der ohnehin schon bei der Einwohnerveredlung benachteiligte Nümbrechter Bürger zusätzlich tragen soll.
Die WGHL versteht sich als Anwalt de Nümbrechter Bürger und wird die Nümbrechter Gemeindeverwaltung bei allen Belangen, die dem Nümbrechter Bürger dienen, auch weiterhin konstruktiv unterstützen.
Zu guter letzt möchte ich dem Bürgermeister Redenius, der heute krankheitsbedingt nicht unter uns weilt, die besten Genesungswünsche übermitteln und hoffe, dass er an der nächsten Ratsitzung wieder teilnehmen kann.
Vielen Dank!
Rainer Galunder
Vorsitzender der WGHL-Fraktion